Unruhige Seetage

Veröffentlicht am 10. Jänner 2025 um 06:16

Um Mitternacht, ca. 5 Stunden nach dem Auslaufen in Vietnam, musste das Schiff aufgrund eines medizinischen Notfalles umdrehen und nach Vung Tao zurückkehren. Nach dem Abliefern des Patienten ging es wieder volle Fahrt in Richtung Philippinen, allerdings nicht für sehr lange: ein Sturm zog auf und es wurde zunehmend unruhig.

Walter liess sich seelenruhig durch den Schlaf wiegen (und hatte die wohl schönste, durchgeschlafene Nacht  seit langem), ich versuchte derweil krampfhaft, nicht aus dem Bett zu rollen und bei all dem Klopfen und Rütteln irgendwie wieder einzuschlafen.

Am Morgen nahm der Seegang weiter zu. Trotzdem hatten wir beide Appetit und Hunger und machten uns auf in den 10.Stock zu unserem Lieblingsfrühstücksbuffet im italienieschen Restaurant "Bella Donna".

Kaum angekommen trafen wir auf über 6 Meter hohe Wellen, Resultat: weinende Kinder und Erwachsene, welche von den Füssen kippten (schwerere Verletzungen gab es zum Glück nicht), viiiiiel zerschlagenes Geschirr (vor allem Teller aus den Tellerdispensern), massenweise volle Kaffeetassen, welche von den Tischen flogen (deshalb wohl der Hochflorteppich unter den Tischen in allen Restaurants: so zerschlägt das Geschirr nicht im Essensbereich, die ausgeschütteten Flüssigkeiten werden sofort aufgesogen und so eventuelle Rutschpartien vermieden - unglaublich viel Arbeit heute Nacht für die Putzequipe).

Mit einigen Hindernissen konnten wir frühstücken. Jemand von uns blieb jeweils am Tisch sitzen, um alles festzuhalten. Walters erstes Omelett flog leider quer durch die Kombüse und so musste er auf ein zweites warten (wir lieben die Omelett-Station. Hier kann man aus unzähligen Zutaten den Belag wählen, z.B. Peperoni, Zwiebeln, Kräuter, Käse usw. und händigt danach seinen Teller dem Koch aus. Dieser brät daraus ein frisches, individuelles Omelett - lecker 😄 ).

Sara wurde es urplötzlich speiübel und ich musste stante pede zurück in die Kabine. Gott sei Dank hatte ich das Itinerol B6 nach längerem hin- und herüberlegen doch in den Koffer gepackt! 2 Tabletten und 4 Stunden später legte sich die Übelkeit endlich wieder.

Währenddessen tobt der Sturm draussen unvermindert weiter. Laut Kapitän werden wir noch bis Mitternacht Windstärke 12 auf der Beaufort-Skala, mit  Windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 70 kn, also etwa 130 km/h und Wellen von etwas über 6 Metern Höhe zu erwarten haben.

Ungeachtet des Wellenganges und der vielen Seekranken wurde während des ganzen Vormittages eine obligatorische Temperaturmessung, angeordnet von den philippinischen Behörden, durchgeführt. Dazu wurde deckweise zum Fiebermessen auf Deck 10 gebeten. Die Krux dabei: alle Passagiere mussten dafür die grosse, spiegelglatte Tanzfläche der Aida Bar auf Deck 10 überqueren. Das vom Kapitän angeordnete Festhalten war somit nicht umsetzbar... Immerhin konnte ich mich an meiner Spucktüte festklammern 🤢

Das vorreservierte, gediegene Abendessen im Steakhouse haben wir abgesagt - auf Flug-Steak haben wir heute keine Lust...

Walter kämpfte sich als einer der wenigen zum Mittagsbuffet durch: Berge von Essen, aber fast keine Gäste. Zwei ältere Damen flogen mitsamt ihren vollen Tellern durch den Speisesaal, der Getränkedispenser sprühte Fontänen, der Boden ist mit Scherben, Essen und Erbrochenem dekoriert.

Für Sara gibt es einen Fastentag.

Grosser Vorteil: man kann nichts tun ausser das Ganze hinnehmen und abwarten, also muss man auch für einmal gar nichts tun.

Beim Abendessen waren nur etwa 10% der Leute zugegen, ebenso beim Frühstück heute Morgen. Wind und Wellen haben zwar ab 4 Uhr morgens ein wenig abgenommen, aktuell liegt die Windgeschwindigkeit nur noch bei 40 Knoten, also etwa 75 km/h. Das bedeutet immer noch eine ziemliche Schaukelei, vor allem das seitliche Schlingern ist trotz Stabilisatoren recht mühsam.

Durch das Umkehren vor 2 Tagen und durch den Sturm liegen wir nun im Zeitplan einige Stunden zurück.

Update: am Sa, 11.Januar, normalisierte sich die Lage an Bord im Verlauf des Nachmittages. Wir besuchten sogar wieder das Fitnesscenter, wobei ich aber zum ersten Mal überhaupt sehr gerne auf den Crosstrainer stieg - denn da konnte ich mich sozusagen mit Händen und Füssen festklammern (normalerweise hasse ich diesen eliptischen, unnatürlichen Bewegungsablauf...).

 

Da heute tagsüber nach wie vor äusserst wenige Passagiere auf den Beinen waren, konnte ich einige Bilder vom Bootsinnern machen. Am Abend fand dann dank der Wetterbesserung doch noch die Tanz- und Akrobatikshow statt.

Laaange Zimmerflure. Unser Zimmer liegt zum Glück direkt neben dem Treppenhaus und Lift in Nähe der Restaurants. Beste Anbindung 😄

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Martin Hess
Vor 3 Monate

Sturm mit fast Orkanstärke ist auch auf so einem großen Pott sicher ein besonders Erlebnis. Nur muss man sich dann halt auch ein Bitzeli vernünftig seemännisch verhalten.

Marianne
Vor 3 Monate

Tut mir leid um dich. Aber spannend zum Lesen!

Marc
Vor 3 Monate

In der Tat spannend zu lesen. Unangenehme und bestimmt ungeheuerliche Sache, so ein Seegang. Bemerkenswert finde ich, dass der Schiffsbetrieb und insbesondere der Küchenbetrieb weiter aufrecht erhalten werden kann.